Pseudoläufer
  Radebeuler Treppenlauf 2010
 
Radebeuler Treppenmarathon 2010
 
 
Wir haben den 17.4.2010, es ist 10:00 Uhr. Ich stehe mit Berni, der mich freundlicher Weise hierhin begleitete um mich zu unterstützen und am Montag nach Hause zu fahren, am oberen Ende der Spitzhaustreppe. Es kommt mir vor wie gestern. Ist es wirklich schon ein Jahr her?
Nichts hatte sich verändert, die Treppe lag in der Sonne, das Gipfelkreuz stand im Pavillon am Ende der Treppe. Genau so hatte es ausgesehen, als ich vor einem Jahr abreiste. In Gedanken begrüßte ich Treppe und Gipfelkreuz. „Hi“, wie heißt es so schön in einem Lied von Westernhagen „Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie richtig weg, hab mich nur versteckt“. Ja, ich war wieder hier, es konnte wieder losgehen. Ich hatte mir geschworen meinen Namen in dieses Kreuz zu ritzen, das Problem war nur, wie bei einem Gipfelkreuz üblich, kam der Name erst nach bestandener Gipfelbesteigung in das Kreuz. Das bedeutet konkret:
 
                         24 Stunden
100 Mal 397 Stufen treppauf
100 Mal 397 Stufen bergab
8848 Höhenmeter
84,4 km laufen
 
Diese nackten Zahlen machen diesen Lauf zur härtesten Laufveranstaltung der Welt. Man muss eine Runde, d.h. in übertragenem Sinn, in die 30ste Etage einen Hauses, wieder runter und 2-mal um den Sportplatz, in 14 Minuten, 23 Sekunden. Wenn man für Essen, Trinken, Massage und Pause insgesamt 100 Minuten kalkuliert, bleiben nur noch 13 Minuten 24 Sekunden.
Extremsportler aus der gesamten Welt versuchen sich einmal im Jahr an der Gipfelbesteigung, von den maximal 60 zugelassenen Starten gelingt es nur circa jedem Dritten.
 
Ich war also wieder hier, hier wo ich letztes Jahr „nur“ 83 Runden schaffte. „Nur“, immerhin beendete ich das Rennen auf Rang 22. Die fehlenden 17 Runden jedoch waren verantwortlich dafür, dass ich wieder hier stand. Ich hatte gut trainiert, seit Januar allein ca. 40 Höhenkilometer auf Treppen. Ich war zwar nicht mehr so oft auf dem Feuerwachturm in der Hohen Mark, dafür aber oft auf der Rungeberg Halde in Gelsenkirchen Beckhausen (300 Stufen) und der Halde Hohewart in Herten (529 Stufen).
Im Training wurde ich oft angesprochen, ob ich für den Empire State Building Lauf trainiere. Liebe Leute, der Empire State Building Lauf ist ein Kinderspiel gegen Radebeul. Der durchschnittliche Starter in Radebeul braucht für den Aufstieg zum Empire State Gebäude vielleicht 15 maximal 20 Minuten. In Radebeul reden wir von 24 Stunden laufen und Treppe steigen. Wenn meine Kinder nicht schon aus dem Haus wären, könnte ich mir vorstellen zum nächsten Kindergeburtstag an Stelle eines Mac Donald Besuches einen Empire State Building Lauf zu organisieren. Diese beiden Läufe zu vergleichen ist als wenn ich Klein Reken mit New York vergleiche.
 
Die Sonne schien, aber der Wind war kalt, es waren nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt angekündigt. Ich hatte natürlich weder Kopfbedeckung noch Handschuhe bei, irgendwas fehlt immer. Also ab in die Stadt und schauen was sich kurzfristig noch besorgen lässt.
 
Der Intersportladen war in Dresden, dass war mir zu weit. Im Kaufland in Radebeul hoffte ich die passenden Utensilien zu finden. Ich musste feststellen, dass mein Vorhaben gar nicht so einfach war. In der Abteilung für Tchibo Artikel fand ich dann eine, ich weiß gar nicht wie man so etwas nennt, aber ich kann es über den Kopf ziehen bis zum Hals oder alternativ als Mütze tragen. In Sachen Handschuhe wurde ich nur fündig in der Gartenabteilung bei Pflanzhandschuhen für Damen. Immerhin, besser als Frostbeulen.
 
Jetzt ging es noch einmal kurz ins Hotel die Sportsachen sortieren, etwas ausruhen und dann ab zur Treppe. Um 13 Uhr rief mein Sohn Robin an und fragte wo wir wären. Er und seine Freundin Madeleine waren ebenfalls nach Radebeul gekommen um mich zu unterstützen. Mein Fanclub wurde komplettiert von Thomas Schenk, Depotleiter DPD Geopost Marl, meinem Hauptsponsor und man erwartete mich an der Treppe.
 
Der Start war Samstag 16 Uhr, 57 Läufer aus Deutschland, Mexiko, USA, Dänemark und der Schweiz waren am Start.
Es ging los, beim ersten Aufstieg sah ich das riesige Banner, welches Robin und Madeleine angebracht haben. „Die erste Runde ging an die Treppe, doch dieses Mal wirst Du gewinnen“ „Yes, you can. We believe“ leuchtete mir entgegen. Ich freute mich darüber, gleichzeitig war es aber schon eine gewisse Belastung. Es wurden 100 Runden von mir erwartet, obwohl eigentlich fast alles gegen mich sprach. Zunächst war die Statistik 1 zu 3 gegen mich, da nur jeder Dritte die Gipfelbesteigung meisterte, außerdem fehlten mir 17 Runden d.h. 4,5 Stunden. Wo ich die hernehmen sollte, war mir ehrlich gesagt bis zu diesem Zeitpunkt immer noch schleierhaft.
Nach 10 Runden (2 Stunden) spürte ich die Beine, nach 20 Runden (4 Stunden)
habe ich mich gefragt, was ich hier eigentlich (wieder) mache.


Es war wieder da, dieses unbeschreibliche Gefühl, welches nur ein Läufer kennt, der versucht seine Bestmarke zu brechen und jenseits der 30 km Marke unter Schmerzen seine Absichten in Frage stellt. Der Halbmarathon war nach 4:55 erreicht. Das waren nur 6 Minuten schneller als letztes Jahr, ich musste aber 17 Runden mehr laufen, dafür braucht man am Ende des Rennens mindestens 270 Minuten. Wo sollten die herkommen? Außerdem tat mir alles weh. Ernste Zweifel kamen auf, ich war ziemlich sicher, das wird wieder nichts. Der Gipfel verschwand, im wahrsten Sinne des Wortes, mit der hereinbrechenden Dämmerung aus dem Blickfeld.
 
Die erste Massage war nach Runde 27 fällig, es ging weiter. Meine Begleiter verabschiedeten sich bis Sonntag früh ins Hotel, ich wollte noch etwas aufgemuntert werden und rief meine Frau an um Ihr eine gute Nacht zu wünschen. Ihre Frage wie es mir geht beantwortete ich wahrheitsgemäß mit dem Wort besch…….
 
Jutta rief daraufhin im Hotel meine Begleiter an, um diese noch mal zu aktivieren, zurück zur Treppe zu kommen. Unterstützung war gefordert, Leute die mich anfeuern, die mich zu neuen Leistungen treiben.
 
So kam es, dass ich plötzlich in Runde 35 wieder von meinem persönlichen Fanklub am oberen Ende der Treppe begrüßt bzw. bejubelt wurde. Trotzdem konnte ich in Runde 40 nicht mehr. Das alles kannte ich schon, im letzten Jahr war es genau so, es war wie eine Wiederholung im Fernseher. Ich ging wieder zur Massage, es war Sonntagmorgen 1:05 Uhr, 9 Stunden nach dem Start. Ich lag auf der Liege und wollte am liebsten nicht mehr aufstehen.
Ein solches Rennen ist zum großen, wenn nicht überwiegenden Teil reine Kopfsache. In meinem Kopf machte sich mehr und mehr Resignation breit. Es konnte eigentlich nicht mehr funktionieren, da war ich mir so gut wie sicher. Nur noch 15 Stunden für 60 Runden, d.h. 15 Minuten pro Runde. Ich hatte für die letzten 15 Runden 4 Stunden gebraucht, das bedeutet ich war in den letzten 4 Stunden über dem erforderlichen Durchschnitt der nächsten 15 Stunden. Ich war am Ende und musste damit rechnen noch langsamer zu werden. Wie zu Teufel soll das passen?????????? Also doch aufgeben??????? Oder vielleicht als Kompromiss, einen Schritt zurück zum Minimalziel, mehr als 83 Runden, mehr als letztes Jahr????
 
Ich habe noch nie aufgegeben, obwohl ich schon oft vergleichbare Situationen bei meinen vielen Wettkämpfen hatte, obwohl ich schon oft meine Schuhe ausziehen und wegschmeißen, mich schon oft einfach hinsetzen und aufhören wollte.
 
Andrerseits, war das nicht genau die Herausforderung, die ich immer suche??? Ist es nicht gerade das, was den Erfolgreichen vom Versager trennt?????
 
Ich äußerte meine ernsten Zweifel und wurde von allen, speziell Berni fürchterlich angegiftet.
„Dafür trainierst Du monatelang, dafür rennst Du die Halde rauf wie ein Verrückter und bringst zu Hause den Trainings-Stepper zum Glühen? Dafür machst Du einen solchen Aufstand für Deinen Spendenlauf?“ Das waren seine nicht gerade freundlichen ausgesprochenen Worte. Wut und Ärger stieg in mir auf. Wer verdammt noch mal läuft hier eigentlich, wer von denen kann sich überhaupt vorstellen, wie ich mich fühle? Außerdem, warum begreifen die Drei eigentlich nicht, dass zwar rechnerisch 100 Runden möglich sind, aber dieses mittlerweile praktisch fast unmöglich ist? Hier zeigt sich eben, dass Theorie und Praxis zwei verschiedene Dinge sind. Du wolltest doch nie mehr hier hin, sagte Berni, also steh gefälligst auf und beende das Rennen mit 100 Runden (weil ich vorher sagte, wenn ich es nicht schaffe, komme ich wieder, nur genau das wollte ich verhindern). Ich fühlte, wie mein Blut anfing zu kochen.
 
Allen „Nichtläufern“ sei gesagt, ein erfolgreicher Zieleinlauf ist ein geiles Gefühl und der Gedanke daran hat mir schon gefallen. Das Problem dazu ist nur, es ist ein immer ein weiter Weg dorthin, voller Schmerzen, Mühe und Selbstüberwindung. Ein wichtiges Hilfsmittel dabei ist es, sich selbst zu motivieren. Ich habe für mich als ideal heraus gefunden, Dinge zu visualisiert (wie ich schon sagte, vieles bei so einem Rennen spielt sich im Kopf ab) und dieses Prinzip (für mich) fast zur Perfektion gebracht. Im Vorfeld des Wettkampfes habe ich z.B. erfolgreiche Momente meiner Läuferkarriere „abgespeichert“. Das geht folgender Maßen: Ich lege meine Hände gegeneinander, so dass sich die einzelnen Fingerspitzen berühren. Drücke ich jetzt meine beiden Zeigefinger fest gegeneinander, habe ich den Zieleinlauf in Duisburg, meinem ersten Marathon vor meinem geistigen Auge. Drücke ich die beiden Mittelfinger, sehe ich mich in New York, im Central Park beim Zieleinlauf und Druck auf meine beiden Ringfinger bringt mir den Einlauf und meine Armbewegung, meine „Säge“ auf der Ziellinie von Biel, meinem ersten 100 km Lauf vor Augen.
 
Ich lag also auf meiner Massageliege (auf Grund der Motivationsversuche meiner Begleiter standen mir die Nackenhaare zu Berge) und legte die Hände gegeneinander. Auf einmal war ich abwechselnd in New York und sah mich im Ziel kniend in Biel auf der Zielmatte. Außerdem fiel mir wieder ein, ich hatte mir als „Belohnung“ selbst versprochen, wenn ich die Treppe besiegt habe, fahre ich zum Ice-Marathon nach Omsk, dem kältesten Marathon der Welt. Man muss schließlich noch Ziele haben.
 
„Nur wer das Unmögliche versucht, kann das Mögliche zu schaffen“, hat einmal ein schlauer Mann gesagt. Ok, also versuchen wir es, dachte ich. Ich bat meinen Sohn Robin mir meine Musik aus meiner Sporttasche zu holen. Für solche Fälle habe ich immer Scooter bzw. Nightwish auf meinem I-pod. Diese Art der Musik legt immer einen Schalter in meinem Kopf um, ab jetzt wird nicht mehr nachgedacht, nur noch gelaufen. Ich zweifelte immer noch, aber ich wollte es wenigstens versuchen. Wenn schon untergehen, dann mit fliegenden Fahnen.
 
Ich hielt in den nächsten 3 Stunden das erforderliche Tempo von 4 Runden pro Stunde, war sogar etwas schneller, der Marathon, die halbe Strecke war nach 11 Stunden 28 Minuten erreicht. Nach 12:04 Stunden, der Hälfte der Zeit quittierte ich die 53ste Runde. 10 Minuten Massage, weiter geht’s. Im letzten Jahr um diese Zeit habe ich eine Pause von über 2 Stunden machen müssen, ich habe geschlafen. Dieses Jahr war das unmöglich, aber wie ich erfreut feststellte, auch (noch?????) nicht notwendig. Auch in den nächsten 2 Stunden hielt ich das Tempo, ja ich war sogar jede Runde schneller als nötig. Ich rechnete aus, wie viel Zeit ich für jede der verbleibenden Runden hatte und stellte fest, ich habe mehr zur Verfügung, als bei meiner Hochrechnung 5 Stunden zuvor. Alles deutete darauf hin, dieses wird ein wunderschöner Tag. Langsam wurde es hell, der Himmel war wolkenlos. Die Natur erwachte in den Weinbergen von Radebeul. Der freundliche THW Helfer am Wendepunkt begrüßte mich mit den Worten „Hallo Rainer, ich hab dir schon mal die Vögel eingeschaltet“. Die Stimmung stieg merklich an, erste Hoffnung machte sich breit, vielleicht war es doch möglich. Wenn ich „nur“ noch 10 Stunden dieses Tempo halten könnte. Aber waren „nur“ 10 Stunden wirklich realistisch???????
 
Um 7:15 waren Robin und Madeleine wieder da, sie brachten mein Telefon, da ich um 8 Uhr mit Hitradio Vest verabredet war, die live von der Treppe berichten wollten. Das gehört auch zu den absolut verrückten Dingen, die ich in letzter Zeit erlebte. Ich hätte doch vor neun Jahren, damals als ich mit Lothar……, na ja ihr wisst schon, niemals gedacht, dass sich irgendwer für meine sportlichen Leistungen interessiert. 9 Jahre später wird in allen Zeitungen von mir berichtet, eine große Läuferzeitung schreibt einen Artikel, verschiedene Rundfunkstationen berichten über mich, in allen Lokalsendern NRW´s wird ein Bericht über mich gebracht. Zur Krönung schaltet Hitradio Vest wegen mir, Rainer Kauczor, quer durch Deutschland, um von meinem Abschneiden beim härtesten Wettkampf der Welt live zu berichten. Mein lieber Mann……, aber zurück zum Lauf. Im Vorfeld hatte ich einen Zeitplan errechnet, der als Idealfall vorsah, dass ich um 8 Uhr 73 oder 74 Runden beendet haben wollte. Um 4 Uhr morgens, nach der Hälfte der Zeit sagte meine Hochrechnung für 8 Uhr 68 oder 69 Runden voraus. Das war zu wenig. Jetzt um 8:03, als das Telefon klingelte habe ich die 70ste Runde beendet. Noch 8 Stunden und „nur“ noch 30 Runden, genau genommen sogar nur 29, denn die letzte durfte ich beenden, falls ich sie innerhalb 24 Stunden beginne. Das Prinzip ist aus der Formal 1 übernommen worden und konnte mir unter Umständen einen Zeitvorteil von 15 Minuten bringen.
 
Es war also 8:03 Uhr und jetzt wusste ich, eigentlich kann nicht mehr viel passieren. Ich hatte mir vorgenommen, wenn ich 5 Stunden vor dem Ende eine realistische Chance habe dieses Rennen mit 100 Runden zu beenden, wird mich auf dieser Welt nichts mehr daran hindern können. Es war 8 Stunden vor dem Ende, ich hatte 16 Minuten und 25 Sekunden für jede verbleibende Runde und das Beste war, ich war jede Runde schneller. Eigentlich war ich so gut wie im Ziel.
 
Robin und Madeleine gingen frühstücken und hatten die Rückkehr meines kompletten Fanclubs für 10 Uhr angekündigt. Als sie kamen, hatte ich gerade die 79ste Runde vollendet. Zuerst sah ich Berni, er trug ein knallrotes T-Shirt mit der großen Aufschrift „Rainer ich glaub an dich“. Ab jetzt hatte ich für jede verbleibende Runde 18 Minuten, d.h. alle Zeit der Welt zur Verfügung. Es konnte nichts mehr schief gehen. Berni, dein Glaube ist berechtigt.
Alles wird gut.
 
Jetzt machte es richtig Spaß. Die Sonne schien, die vielen Zuschauern sorgten für eine fantastische Stimmung. Mein persönlicher Fanclub hatte sich mitten im Weinberg am Rande der Treppe postiert und feuerte mich jede Runde lautstark an. Ich habe mich auch sehr darüber gefreut, dass Christian Sachs und seine Frau mich schon ca. 100 Stufen vor Ende jeder Runde unüberhörbar begrüßten. Wie im letzten Jahr konnte ich die Beiden schon weit vor dem oberen Ende der Treppe meinen Namen schreien hören. So etwas tut gut, so etwas baut auf, so etwas ist schön. Ich danke Euch dafür.
 
13 Uhr, ich war in der 90sten Runde. Jetzt tat es doch verdammt weh, ich merkte, es wird schwerer, die Leichtigkeit der vergangenen Stunden ließ merklich nach. War es die Hitze, oder doch die Erschöpfung nach 21 Stunden treppauf, treppab, oder vielleicht beides??? Ich bat Robin mir eine Mütze zu besorgen, da mir am Kopf immer heißer wurde und ich einem Sonnenstich vorbeugen wollte. Robin lief los und brachte mir so ein Piratentuch. Ich brauchte aber etwas mit einem Schirm vorn, ich brauchte Schatten im Gesicht. Als ich wieder oben am Wendepunkt war, sah ich einen Zuschauer mit genau der Kappe, die ich benötigte. Ich erklärte ihm, dass ich diesen Sonnenschutz nötiger hätte als er und ohne zögern schenkte er mir seine Kappe. Ja, so waren sie, die Zuschauer. Sie unterstützten wo sie nur konnten, besser konnte es nicht sein.
 
In der 92sten Runde rieten mir meine Begleiter noch einmal zur Massage zu gehen. Ich hatte mehr als genug Zeit und so nahm ich diesen Rat dankend an. Gebracht hat mir diese Massage allerdings ehrlich gesagt nichts, was aber nichts mit der fantastischen Arbeit der Physiotherapeuten zu tun hat, das lag daran, dass meine Kräfte doch merklich nachließen.
 
Zur Aufmunterung hat mein Fanclub in der Zwischenzeit beschlossen, dass mich bei jeder Runde abwechselnd jemand begleitet. So ging ich mit Robin, Madeleine, Berni und Thomas
im Schlepptau in die letzten 8 Runden. Eigentlich war es verboten sich begleiten zu lassen, es waren aber nur noch wenige Mitstreiter im Wettbewerb und so sah man darüber hinweg und es wurde geduldet. Als sehr hilfreich erwies sich auch das Wasser, welches mir meine Begleiter bei jeder Runde, wenn ich ihren Standort passierte über Kopf und Nacken gossen.
 
Einer der letzten Läufer auf der Treppe war Helmut, der Extremwanderer. Ich wollte auf jeden Fall vor ihm im Ziel sein, ich wollte ihn auf keinen Fall mehr vorbei ziehen lassen. Der Grund dafür war einfach, ich mochte seine Art nicht, mit der er sich auf der Treppe dargestellt hat. Er hatte sich beim treppab oft ziemlich rücksichtslos den Anderen gegenüber benommen und seiner dummen Unart extrem laut zu rülpsen, sodass man es 50 m weit hören kann, kann ich auch nichts Komisches abgewinnen.
 
Es wurde immer schwerer, ich bekam die Beine kaum noch hoch, aber ich wusste, ich werde ins Ziel kommen. Ich konnte die verbleibenden Runden an einer Hand abzählen. Erst 5, dann 4, dann 3, dann sagte der Moderator meine letzte, meine 100ste Runde an. Es war genau 15:20 Uhr. Diese Runde war nur für mich, ich ging allein. Auf der Treppe dachte ich noch einmal an die vergangenen 23 Stunden. Noch nie war das Motto meines T-Shirts „Keiner hat gesagt es wird leicht“ so zutreffend wie hier bei diesem Wettkampf. Ich bekam, wie alle Läufer die 100 Runden schafften, von dem kleinen Mädchen am unteren Ende der Treppe die Blume, die das Zeichen für die letzte Runde war. Jetzt musste ich mich nur noch am unteren Wendepunkt vom THW und von den Zuschauern auf der Straße verabschieden. Danke, dass ihr zugeschaut habt, danke für eure Unterstützung, danke für eure Hilfe.
 
Ein letztes Mal stand ich am unteren Ende oder je nachdem wie man es sieht, am Anfang der Treppe. Ich schaute mit Tränen in den Augen herauf. Zum letzten Mal (zumindest nach heutigem Stand) betrat ich die ersten Stufen. Es war zwar die letzte Runde, aber auch diese 397 Stufen mussten gegangen werden, auch diese 30 Etagen taten weh. Schon ca. 100 Stufen vor dem Ende der Treppe hörte ich den Moderator und meine Begleiter. Man feierte mich, alle Zuschauer applaudierten, Christian schrie immer wieder meinen Namen. So, genau so habe ich mir den Zieleinlauf vorgestellt. Nur jetzt war er Realität. Die Kinder empfingen mich mit dem Banner, welches mich in den vergangenen 24 Stunden am Ende der Treppe darauf hingewiesen hatte, dass man 100 Runden von mir erwartet.
Auch die beiden freundlichen Damen des Kinderhospiz Vereines waren anwesend.
Die letzte Stufe, dann hatte ich den Mt. Everest bezwungen. Ein verdammt geiles Gefühl.
 
Dann kamen Robin, Madeleine, Berni und Thomas, mein Fanclub. Jeder umarmte und gratulierte mir. Danke, dass ihr alle dabei gewesen seid. Danke für die Unterstützung, danke für die aufmunternden Worte, das Banner, die Schilder, die blöden Kommentare, das Wasser, danke für alles. Ohne Euch hätte ich das Ziel wahrscheinlich nicht erreicht. Der letzte offizielle Akt war, diese letzte Runde mit dem Transponder zu quittieren. Jetzt erst war der Kampf gegen die Treppe gewonnen und ich musste als erstes mit meiner Frau Jutta sprechen, die natürlich in den letzten Stunden telefonisch von meinen Begleitern immer auf dem Laufenden gehalten wurde..
 
Wie erschöpft ich war, merkte ich als Berni mir nach dem Lauf ein Glas Bier reichte. Ich trank es halb aus, rannte aus dem Zelt und brachte es in hohem Bogen wieder weg.
 
Es ist also vollbracht, die Mission ist zu Ende. Ich kann getrost sagen, noch nie in meinem Leben habe ich mich so angestrengt, so verausgabt. Das ich im Hotel sofort in tiefen Schlaf fiel und auch in den nächsten Tagen nicht richtig ansprechbar war, waren die äußerlichen Zeichen dieser Tortur. Aber trotz allem kann ich sagen, es hat sich gelohnt, es war schön.
Ob ich es noch einmal machen würde? Am Sonntag und den folgenden Tagen habe ich gesagt „nie wieder“. Aber wie heißt es so schön „Sag niemals nie“, denn eigentlich steht es ja erst unentschieden zwischen der Treppe und mir.
 
Die Sächsische Zeitung schrieb am Montag 19.4.2010 „Wer auf der Treppe von Radebeul besteht, gehört zu den Besten der Welt“. Seit Sonntag 15:40 Uhr gehöre ich dazu, bin ich Mitglied im elitären Kreis derer, die die Treppe besiegt haben.
 
Meine Sponsoren sorgten für einen unglaublichen finanziellen Erfolg des Treppenlaufes. Insgesamt kann sich der deutsche Kinderhospiz Verein auf 16.488,-- Euro freuen. Ich danke allen Geldgebern, speziell Herrn Thomas Schenk vom DPD Depot Marl. Danke Thomas, ohne dich wäre dieses Ergebnis niemals zu Stande gekommen. Ebenfalls vielen Dank an die vielen DPD Depots bzw. deren Leiter (speziell Herrn Lippert aus Dresden), die sich finanziell engagierten, sie haben außerordentliches geleistet. Ein besonderer Dank geht auch an Frau Gisela Paulus vom Steuerbüro Paulus, Herrn Oliver Sprungmann vom Autohaus Sprungmann, Herrn Krüger, Geschäftsführer des Autohauses Lueg in Recklinghausen, dem Zahnarzt Michael Ganz, dem Ehepaar Bösing vom Restaurant „Alter Garten“ in Klein Reken, Herrn Mark Klawuhn von der Hausverwaltung Schulte, Herrn Evering von der Fa. Holz Evering, Herrn Stefan Feldmann von REWE Feldmann, die Herren Peter und Martin Händler von der Fa. Betonbau Händler, Herrn Dunkhase vom Internetkaufhaus Kaufdochhier, Herrn Lutz Fleige von Floristik Fleige, dem Juwelier Markus Wilgenbusch, Herrn Oliver Opl, Installationsbetrieb Michael Schnabel, Dachdecker Jörg Ter Schmitten, der Sparkasse Vest und nicht zuletzt dem Ehepaar Bellstedt.
 
 
 
 
 
 
  Heute waren schon 2 Besucher (7 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden