Pseudoläufer
  ROBINS - Bericht
 

Der Tag der Tage..

 

Dieser Lauf war etwas ganz besonderes, mein erster Marathon. Natürlich ist dieser erste Marathon für jeden etwas besonderes, aber für mich hat sich durch diesen Lauf wahrscheinlich mehr verändert, als für andere Marathon-Neulinge. Um zu verstehen wieso dies so ist, muss ich etwas weiter ausholen.

 

Wir schreiben das Jahr 2007, Mai oder Juni, mein Vater läuft schon seit Jahren Marathon und zum ersten mal in seinem Leben wagt er sich an diesen extremen Lauf, die 100 km von Biel. Ehrlich gesagt halte ich ihn schon lange für Verrückt. 42 km freiwillig Laufen, Schmerzen haben und Treppen nur noch Rückwärts gehen können, kann nicht normal sein. Und jetzt 100 km ?? Total Banane.
Bei diesem Lauf, ist eine Fahrradbegleitung, für neue Kleidung etc, erlaubt. Ich sage als Begleitung zu, halt ihn zwar für Wahnsinnig aber helfen tue ich ihm schon. So kam es, dass ich in Schritttempo 100 km durch die Schweiz radelte. Nach 30 km tut mir der Arsch weh und zuwenig Kippen hab ich auch dabei (Die anderen Läufer waren froh drüber, ich schein diese durch mein rauchen gestört zu haben).
Bei Kilometer 73 hat Papa einen richtigen Einbruch, selbstverständlich versuche ich ihn aufzuheitern, aufzubauen, ihm einfach zu helfen.
Dabei ist ein unbedachter Dialog entstanden, der später mein Leben veränderte:

Robin: Ey Papa, du wirst doch jetzt nicht aufhören, du bist hier um 100 km zu laufen, da kannst doch nicht bei 73 aufhören.

Papa schweigt, nach einigen Minuten sagt er:
Robin, wenn du jemals soweit bist, dass du einen Marathon laufen kannst, zahl’ ich dir eine Reise zu einem Marathon deiner Wahl. Aber du hast Recht, jetzt soll ich 100 km laufen.

Wir gaben uns die Hand, dann lief er weiter und erreichte auch das Ziel.

(Warum wir eingeschlagen haben weiß ich nicht, ich hatte nicht vor einen Marathon zu laufen. Ich hab gern und viel geraucht, fand laufen schon immer doof und war ehrlich gesagt froh 100 km Fahrradfahren geschafft zu haben. Papa wusste das auch)

 

Mein Lauftraining für diesen Marathon dauerte genau einen Tag mit ca. 1,6 km in einer wahnsinnig schnellen Zeit von 19 Minuten incl. Gehpause.(und 3 Kippen hinterher)

 

2008, als Papa und sein Kollege Lothar wieder in Biel liefen, fuhr ich wieder mit. An meiner Einstellung zum Thema laufen hat sich nichts geändert. Warum auch ..

 

Im Oktober 2008, nach ganz viel Streß und Ärger, lief ich los um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich kann heute nicht sagen warum ich losgelaufen bin und nicht boxen gegangen oder so.

Einige Tage später lief ich wieder, es hat nicht wirklich Spaß gemacht aber man konnte abschalten.
(Ich hatte auch hier noch nicht einmal daran gedacht ein Marathon zu laufen, geschweige denn Ihn jemals laufen zu wollen)

 

Australien, da wollt ich schon immer mal hin, denk ich mir bei einer Reportage. Wahrscheinlich kann ich mir das niemals leisten, wenn ich also da hin will, muss ich mir was überlegen… Klar, Marathon laufen, Sydney Marathon auswählen und Papa bezahlen lassen! Das Versprechen von Biel, das war es.

 

Ich lief und lief und lief, genau 2 Monate lang. Im Dezember ist es kalt. Mein Training wurde weniger, die Ausreden mehr. Irgendwann lief ich nur noch sporalisch…


Im nachhinein, kann ich sagen, waren mehrere Zufälle, dass ich am 8. Februar 2009 an den Start meines ersten Halbmarathon gegangen bin. Mein erster Lauf mit Startnummer.

Hier lernte ich die Frau meines Lebens kennen, wurde ein Pseudoläufer und hab Ehrgeiz entwickelt, Blut geleckt und wollte mehr. Ich wollte Laufen, Urkunden und Medaillen kriegen und natürlich nach Sydney. Von diesem Tag an trainierte ich, mit meiner Freundin zusammen, für diesen Lauf. (Sogar regelmäßig, wir haben fast nichts anderes gemacht)

 

Mein erster Marathon sollte Köln sein, nicht das ich mit Köln etwas verbinde, aber es war einfach der Termin und die angepriesene Karnevalsstimmung. Nach wochenlanger Überredung hab ich es geschafft, dass Madeleine mich begleiten würde, auf meinen ersten 42,195 km! Papa wollte mir selbstverständlich auch helfen,  

 

Ich freute mich auf den Marathon. Doch je näher der 4.10. kam, desto mehr wuchs meine Angst, mein Zweifel. Ich kann gar nicht beschreiben was ich die letzte Woche, besonders die letzten Tage vor dem Lauf gedacht und gefühlt habe. Ich muss alle Leute verrückt gemacht haben, wie immer hat Madeleine meine Angst wohl am meisten abbekommen… es tut mir so leid.

 

Sonntag, 4 Oktober 7:50 Uhr, Bahnhof Haltern. Wir treffen uns mit den anderen Läufern und Begleitungen. Wir reisen mit einer richtig großen Gruppe an, da wären Barbara und Volker, die Ihrer Bestzeit verbessern wollten und die 4:30 auch letztendlich knackten ( 4:29),
die Crew (Beate und Berni) sowie Kathi, Eva und Max zum anfeuern, filmen und fotografieren und natürlich Madeleine, Papa und ich.

 

500 Meter auf einer Hauptstrasse, so lang war der Startblockbereich
( 6 Spuren breit). Also wahnsinnig viele Leute , wahnsinnig viele Zuschauer.. Wie wir es geschafft haben unsere Leute zu erkennen ist mir immer noch schleierhaft, aber wir haben sie gesehen (ich hab sie leider nur am Start gesehen, krieg beim laufen ja nichts mit).
Start um 11:30 Uhr, zumindest für die vorderen. Bei uns im letzten Block passierte 30 Minuten nichts. Ca 12 Uhr ging es endlich los. Barbara und Volker waren direkt am Start schon weg, wir liefen gemütlich los, die Aufregung war wie weggeblasen, die ersten Kilometer vergingen im Flug.
Bei jedem großen Platz standen tausende Leute die einen anfeuerten, trommelten, Schilder hinhielten und abgeklatscht werden wollten. Bei jedem großen Platz hatte ich die Tränen in den Augen, so etwas war einfach toll…

 

Km 20, mir fällt auf, das Madeleine immer wieder einen Schritt zurückfällt. Sie machte keinen guten Eindruck. Wir hatten vorher abgemacht, ich solle im Falle eines Einbruchs weiterlaufen. (Es war Ihr zweiter Marathon in diesem Jahr) Wir laufen immer zusammen, leiden und freuen uns immer zusammen. Sie wirklich zurückzulassen war nicht einfach. Papa merkte auch, dass es ihr nicht gut ging. Die beiden ließen sich zurückfallen und sagten mir, ich solle weiterlaufen.
Ich wusste mein Schatz ist nicht alleine, das war der einzige Grund warum ich alleine weitergelaufen bin.

 

Im nachhinein wurde mir gesagt, ich bin einen halben Meter an unseren Leuten ( der Crew und den Junior-Pseudos) vorbei gelaufen und hab sie nicht gesehen. Typisch!

 

KM 30, Papa hat mich eingeholt, berichtete von Madeleine und Ihren Problemen. Sie würde kurz vor Krämpfen stehen und hätte einen zu hohen Puls. Einfach nicht ihr Tag. Mir ging es auch immer schlechter, Volker hat mit gesagt, wenn du bei KM 35 bist, hast du es geschafft.
Ich war aber erst bei Kilometer 30 und es ging durch einen Stadtteil, indem man meistens alleine war ohne Zuschauer.
An einer Stelle, lief man zuerst die Strasse rauf, um diese auf der Gegenfahrbahn zurückzulaufen. Ich sah mein Schatz, konnte  ihr sagen (oder zuschreien): liebe dich. Sie hat in der Zwischenzeit einen anderen Läufer gefunden, der auch Probleme hatte. Beide haben beschlossen, gemeinsam ins Ziel zu laufen.

Juhu, Schatz ist nicht allein. Schatz wird ankommen,
mir ging es wieder gut! ( Leider nur 100 Meter).
Die Kilometer wurden länger, aber irgendwann
hab ich dann diese 35 km – Marke erreicht.
Volker kam mir wieder ins Ohr: …bei 35 km…

Ja, ich war da, sehe das Schild 35 km heute noch genau vor Augen und .. ich war restlos am Ende!
Der Mann mit dem Hammer.. jeder hat Angst davor.
Kein Neuling weiß was einen da erwartet. Mich hat er getroffen, aber voll und es war schlimmer als ich dachte. Nichts ging mehr.
TILT ERROR ..  Gehpause!!

‚Gut Robin nicht schlimm, 100 Meter gehen dann laufen wir wieder. Wir haben noch 56 Minuten zeit um unter 5 Stunden rein zukommen’ sprach der Guru.
Gesagt getan, wir gingen ein paar Meter und liefen wieder. Insgesamt haben wir 4 solcher Gehpausen gemacht. Bei KM 37 oder so waren richtige Tribünen aufgebaut, die Strecke war nur noch ein Meter breit und so viele Leute standen da, schrieen mir zu.
Ich hatte Tränen in den Augen, es war so schön.

 

KM 39. Und jetzt lauf ich nach Hause!! Ich lief los, durch bis ins Ziel.

Man kann nicht in Worte fassen, was ich auf der Zielgeraden gefühlt habe. Da war das Ziel, ich hab es geschafft. Nur noch wenige Meter bis zur Matte.

4:57!! Ich hab es geschafft.
Ich fing an zu heulen, fiel Papa in die Arme. Es war so toll.

 

‚Es gibt Momente in dem erwachsene Leute heulen’
hab ich in einem Bericht gelesen.
Jetzt kann ich diesen richtig verstehen und nachvollziehen.
Ich kann nicht erklären, warum es toll ist sich so zu quälen.
Warum man im Ziel Tränen vergießt.
Ich kann nur sagen, es ist so und dass ist auch gut so!
Einen Marathon zu beenden, an seine Grenzen zu gehen, darüber hinaus zu gehen und die Herausforderung zu bewältigen ist einfach atemberaubend.

Bis heute kann ich diese Gefühle nicht wirklich ausdrücken, muss man auch gar nicht.
Jeder Marathoni weiß was ich meine…

 

Ich muß mich bei meinem Vater bedanken, durch diesen Satz in Biel:

 

-bin ich zum Läufer geworden!
(rauch nicht mehr, dafür quatsch ich nur noch übers Laufen)

-hab ich das geschafft was keiner gedacht hätte, einen Marathon beendet. ( Ich will zwar nicht mehr nach Sydney, aber dafür zu DEM Marathon, New York!)

-hab die Frau meines Lebens kennen gelernt, die ich über alles Liebe.

-bin einfach Glücklich!

 

Danke.

 

Robin

 
  Heute waren schon 1 Besucher (4 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden